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DevBlog: Das Definieren einer kreativen Vision
Wie entwickeln wir die Vision für ein neues Anno-Spiel? Welchen Herausforderungen müssen wir uns stellen, wenn wir an der Konzeption eines neuen Spiels arbeiten? Tauchen wir gemeinsam mit unserem Game Director Jan Dungel in das Thema der Konzeption eines Anno-Spiels ein!
Für diesen Blog gehen wir zunächst ein wenig zurück zu den Anfängen von Anno 117: Pax Romana. Dann sprechen wir über die Rollen des Game Directors und des Creative Directors in unserem Team und über unseren generellen Ansatz beim Game Design.
Dies ist der erste von zwei Blogs zu diesem Thema: Der zweite Blog wird ein wenig mehr auf die tägliche Arbeit des Game Design Teams an Anno 117 eingehen.
Erste Schritte
Vor einiger Zeit, als Anno 1800 noch in der Post-Launch-Phase war und wir mit der Arbeit an der Konsolenversion anfingen, begann eine kleine Gruppe des Teams hier in Mainz mit dem Brainstorming über das nächste Projekt. Es war klar, dass wir ein neues Projekt nach Anno 1800 wollten (und brauchten) – aber was für ein Projekt? In diesen Diskussionen mussten mehrere wichtige Punkte festgelegt werden.
Zum Beispiel: Welche Art von Spiel wollen wir entwickeln? – Nun, diese Frage war recht schnell beantwortet: Nach dem großen Erfolg von Anno 1800 wollten wir natürlich mit einem neuen Anno-Titel daran anknüpfen.
Ein Teil dieser Entscheidung musste natürlich auch sein: Was sollte denn das Setting für das nächste Anno-Spiel sein? Jetzt wissen ihr natürlich: Es ist vom alten Rom inspiriert!
Tief in diese Diskussionen eingebunden war auch die Frage: Was sind unsere strategischen Ziele für das neue Anno-Spiel? Ein großes Ziel für Anno 1800 war zum Beispiel, zu den Wurzeln zurückzukehren – das Spiel sollte eine Antwort auf das Feedback zu Anno 2205 sein.
Außerdem haben wir dabei überprüft, ob und wie wir unsere Ziele für unsere letzten Spiele erreicht haben und evaluieren vergangene Strategien und Erfolge.
Fragen wie diese bilden die Grundlage für alle künftigen Diskussionen, daher sollten wir die letzten beiden Punkte etwas ausführlicher behandeln.
Einigung auf strategische Ziele
Ein Ziel für Anno 117: Pax Romana ist es zum Beispiel, nach dem großen Erfolg von Anno 1800 wieder ein starkes Anno für unsere Fans und Hardcore-Spieler zu liefern; ABER wir haben auch einige Punkte, die wir verbessern wollen – ein zentraler Punkt ist die Erfahrung für neue Spieler. Das bedeutet, dass wir zum Beispiel das Thema Spieleinsteig anders angehen wollen. Wir sind uns durchaus bewusst, dass solche Aussagen bei unseren Kernfans hin und wieder zu Sorgenfalten führen – aber wir halten es für machbar, wenn auch definitiv herausfordernd.
Die Aufgabe des Game Designs ist es dann letztlich, Wege zu finden, um die Ziele zu erreichen, die wir uns für das neue Spiel gesetzt haben.
Einigung auf das Setting
In der Tat ist das Setting für jedes Anno eines der ersten Dinge, über die wir entscheiden. Das liegt daran, dass das Setting selbst schon strategische Fragen beantworten kann.
Wenn wir zum Beispiel unser skandinavisches Publikum vergrößern wollten (um ein SEHR willkürliches Beispiel zu verwenden), wären vielleicht Wikinger oder die Zeit des Großen Nordischen Krieges gut geeignet.
Das bestimmt auch sofort den erzählerischen Ansatz und die Funktionen. Anno 1800 konnte einen Unterschied zwischen Segel- und Dampfschiffen machen, Anno 2070 konnte Flugzeuge hinzufügen – und beide Beispiele wirken sich auf die Logistik, die Kriegsführung und mehr in diesen Spielen aus und haben daher große Auswirkungen auf viele Ebenen des Gesamtdesigns.
Und – wie ihr wisst – haben wir uns entschieden, Anno 117: Pax Romana in einem antiken römischen Setting anzusiedeln. Dafür gab es mehrere Gründe (also auch Antworten auf strategische Fragen), angefangen bei der Tatsache, dass (wie wir auch aus früheren Umfragen wissen) Rom einfach ein Lieblings-Setting der Fans ist – etwas, von dem wir wissen, dass es bei unserem bestehenden Publikum sehr gut ankommen würde.
Rom als Setting ist auch einfach eine naheliegende Wahl für ein Aufbauspiel wie Anno. Rom steht für ein großes Reich, viele verschiedene Kulturen, ein Handelsnetz (mit viel Schiffshandel), zentralisiert, aber auch über viele Provinzen verteilt (nicht unwichtig, wenn man an Möglichkeiten nach dem Release denkt) und die Römer selbst als Baumeister – von Städten über Infrastruktur bis zu großen öffentlichen Gebäuden.
Das Setting hat schlicht generell eine große Anziehungskraft, und viele Menschen kennen Rom und die Römer (sogar soweit, dass Teile dieses Wissens als Stereotypen betrachtet werden könnten). Das birgt – bis zu einem gewissen Grad – auch ein gewisses Risiko: Wir brauchten unsere eigene Sichtweise, die Anno-Sichtweise, auf das von uns gewählte Setting.
Selbstidentifikation
Eine weitere offensichtliche Frage, die wir uns stellen mussten, war: Welche Art von Spiel ist Anno? Und was macht Anno aus der Sicht des Game Designs zu Anno?
Die erste Frage ist gar nicht so einfach zu beantworten. Und das merken wir auch oft, wenn wir die Diskussionen unter unseren Fans verfolgen.
Denn: Anno ist kein klassisches Aufbauspiel und unser Städtebau-Teil ist eher gemütlich und lässt die Spieler einfach Gebäude platzieren, wie sie wollen.
Nein, Anno geht darüber hinaus und beinhaltet neben Städtebau, eine tiefgreifende Wirtschaftssimulation, 4X-Strategieelemente und eine immersive Welt mit einer erzählerischen Ebene, um alles zusammenzuhalten und tiefer in das Setting einzutauchen. Diese Systeme interagieren in einem Ausmaß miteinander, dass Jan vorschlägt, dass Anno fast eine Art Puzzlespiel ist.
Es ist eine einzigartige Mischung und das ist unsere Spezialisierung in diesem Genre: Wir sind Anno. Und wir bezeichnen uns als “Builder Game”, da diese Puzzleteile, diese Komplexität, auf all die Dinge zurückzuführen sind, die die Spieler in unseren Spielen aufbauen: Städte, Beziehungen, Handelsnetze, Flotten und Strategien.
Tatsächlich ist diese Selbstidentifikation sehr wichtig (wir haben bereits über den Ansatz unseres Brand Teams gesprochen), und wir schauen uns dabei auch die Evolution unserer eigenen Spiele im Detail an: Welche neuen Mechaniken wurden in vergangenen Spielen eingeführt? Welche neuen Features? Welche Features wurden ausprobiert und danach nie wieder verwendet? Welche Features haben wir geliebt? Welche haben uns nicht gefallen?
Dazu gehört auch, dass wir uns in die Lage des Spielers versetzen und uns die Frage stellen: Was sind meine Erwartungen an ein Anno-Spiel aus dieser Perspektive? Was sind meine Bedürfnisse und Wünsche, wenn ich ein Anno-Spiel spiele? Was reizt mich? Was langweilt mich? Dementsprechend spielt das Spielen unserer eigenen Spiele, auch älterer Titel, auch für unser Game Design Team (und das Onboarding neuer Designer) eine wichtige Rolle, um zu verstehen, was Anno, Anno macht.
Kurzum: Wir müssen selbst zu Anno-Spielern werden und uns ein Stück weit von der Entwicklerperspektive lösen. Denn schließlich bauen wir das Spiel (auch) für uns selbst.
Nehmen wir ein prominentes Beispiel für dieses „Anno-DNA“-Thema: Inseln!
Inseln sind ein weiteres Alleinstellungsmerkmal von Anno, ein wichtiger Bestandteil seit dem ersten Spiel – und, puh, auch in unserer Community ein viel diskutiertes Thema. Für uns sind Inseln – oder zumindest das Prinzip von Inseln – räumlich begrenzte Gebiete mit einem Logistikbereich dazwischen – der Kern des Anno-Erlebnisses. Es müssten keine buchstäblichen Inseln sein, aber die Begrenzung des Raums (durch Größe, Anzahl und Design der Inseln) und die Herausforderungen (siehe: Puzzle-Aspekte!), die sich daraus ergeben, sind von zentraler Wichtigkeit – sie schaffen ein Ziel für den Spieler und beeinflussen viele andere Aspekte des Game Designs.
Außerdem vermitteln Inseln auf natürliche Weise Raum: Es gibt keinen Zweifel daran, wo die Spieler bauen können und wo nicht. Die Trennung zwischen Baugebiet und Logistikgebiet ist klar und erfordert keine UI-Hilfe oder künstliche Kartengrenzen.
Wie viele von euch außerdem in der Vergangenheit bereits angemerkt haben: Inseln sind auch ein Aspekt, der uns klar historisch inspiriert, aber nicht historisch korrekt macht. Unsere reale Welt besteht aus vielen größeren Landmassen, die so in einem Anno-Spiel nicht vorhanden sind.
Schließlich ist es wichtig zu erwähnen, dass wir nicht in einer “Bubble” arbeiten: Wir recherchieren ziemlich viel darüber, was andere Spiele machen. Was sind die aktuellen Industriestandards für Strategiespiele? (für UI/UX-Design, Game Design, Narrative Design usw.) Und dann gibt es natürlich noch Playtests mit Mitgliedern unserer Community – das Thema werden wir in einem zukünftigen Blog angehen.
Creative Director und Game Director – was ist der Unterschied?
Dies ist vielleicht ein guter Zeitpunkt, um einen Moment innezuhalten und zu fragen: Was macht ein Game Director? Und ein Creative Director?
Bei uns überschneiden sich die Aufgaben beider Jobs natürlich in vielen Bereichen, da beide die kreative Vision des Spiels gestalten.
Die Hauptaufgabe unseres Game Directors Jan ist die Umsetzung der kreativen Vision für Anno 117: Pax Romana in das Spiel. Dazu gehören erzählerische Ebenen, Level Art (z.B. Thema verfügbarer Bauplatz) und Art (z.B. die Größe der Gebäude), aber auch langfristige Pläne (Stichwort “Postlaunch”) und alle damit verbundenen Konsequenzen.
Er leitet das Spiel und das Team, wobei er vor allem darauf achtet, dass das Spiel Spaß macht und dass allen im Team die Vision klar ist und Abteilungen nicht in Silos arbeiten. Zum Beispiel müssen die Größe der Gebäude und die Größe der Inseln zusammenpassen, um ein gutes Balancing zu erreichen, so dass Game Design, Level Art und Art regelmäßig miteinander kommunizieren.
Seine Aufgaben können von High-Level-Themen bis zu Low-Level-Details wie Balancing reichen.
Die Aufteilung der Zuständigkeiten kommt insofern zum Ausdruck, als dass Jan sich im Grunde nur auf das Anno-Team selbst und die Entwicklung des Spiels konzentriert.
Die Hauptaufgabe unseres Creative Directors Manuel ist es, eine starke kreative Vision für das Projekt zu entwickeln, diese Vision dem Team und den Stakeholdern (= anderen Teams/Gruppen innerhalb der Firma) zu vermitteln und dafür zu sorgen, dass wir auch im Verlauf der Entwicklung auf Kurs bleiben. Er richtet das Team aus, inspiriert es und fordert es heraus, indem er vor allem bei übergeordneten Themen die Richtung vorgibt. Natürlich macht er das nicht alleine, sondern arbeitet eng mit allen Disziplinen des Anno-Führungsteams zusammen, die meiste Zeit auch mit anderen Directors wie Jan, um sicherzustellen, dass wir unsere Ziele erreichen und ein Spiel abliefern, das unsere Fans und potenzielle neue Zielgruppen lieben werden.
Ein großer Teil seiner Arbeit besteht auch darin, das Spiel und das Team außerhalb unseres Studios zu repräsentieren. Das kann innerhalb von Ubisoft sein oder als Sprecher gegenüber unseren Fans und der Presse. Er arbeitet auch eng mit Haye (Brand Director) und ihrem Team zusammen, um sicherzustellen, dass die Art und Weise, wie wir Anno 117: Pax Romana präsentieren, im Einklang mit der kreativen Vision des Spiels steht.
Wie bei vielen anderen Aspekten, die wir in unseren Blogs mit Einblicken in die Spieleentwicklung behandeln, ist es wichtig zu beachten, dass die Job-Beschreibungen spezifisch für Anno sind. Andere Projekte und andere Entwickler könnten Rollen mit demselben Namen andere Aufgaben und Verantwortlichkeiten zuweisen.
Das Gleiche gilt für unsere Herangehensweise an die Konzeption eines neuen Spiels, die Arbeitsweise unseres Production-Teams (Thema eines zukünftigen DevBlogs) und so weiter. Jedes Projekt und Team hat andere Bedürfnisse und Prioritäten, es gibt selten eine „Einheitslösung“ für die Spieleentwicklung, die einfach für alles verwendet werden kann.
Outro
Auf diese anfänglichen Fragen folgten wochenlange Recherchen über das Setting und mögliche Features. Unser Senior Writer Matt begann damit, die Welt zu skizzieren und Story-Perspektiven zu erkunden, während alle zusammen auch Fragen beantworten mussten wie:
- Ist das Setting schon zu “ausgelutscht”?
- Was wird uns von anderen Spielen abheben?
- Und: Gefällt es uns und wollen wir tatsächlich daran arbeiten?
Beim Thema Features haben wir erste Entscheidungen darüber getroffen, welche „alten“ Features wir beibehalten, welche wir ändern und welche – zum Beispiel aufgrund des gewählten Settings – zwingend notwendig sind.
Allerdings: Jetzt betreten wir bereits das Gebiet der Entwicklung und verlassen den ursprünglichen Raum der „Visionserstellung“. Das werden wir entsprechend einem kommenden Blog behandeln.
Um es kurz zusammenzufassen: Wir beginnen immer damit, einige sehr grundlegende Fragen zu stellen (Art des Spiels? Ziele? Setting?) und dabei die DNA und die Hauptpfeiler der Serie zu identifizieren und zu bekräftigen. Erst danach fangen wir an, die Themen Story und Features zu erforschen, um die Grundlage für das Spiel zu schaffen und den Rest des Teams langsam einzubinden. Zu diesem Zeitpunkt beginnt das Team mit der Erstellung der “High Concepts” und später der “Detailed Design Documents”.
Bleibt also dran für unseren Folge-Blog, in dem wir über die tägliche Arbeit des Game Design Teams sprechen und darüber, wie wir Features und Mechaniken dokumentieren.
Haben wir etwas unbeantwortet gelassen? Was ist eurer Meinung nach der absolute Kern der Anno-DNA? Und gibt es Fragen an unser Game Design Team, die wir in unserem nächsten Blog beantworten sollten?
Schreibt es in die Kommentare oder teilt uns eure Fragen auf Discord mit!
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